Irvine Welsh – Ein ordentlicher Ritt, Heyne Hardcore 2016

„Ein Intellektueller ist ein Mensch, der etwas Interessanteres als Sex entdeckt hat.“ (Aldous Huxley) steht am Anfang des Buches. Die Hauptfigur „Juice“ Terry Lawson, den Welsh Fans bereits aus den Büchern „Klebstoff“ und der „Trainspotting“ Fortsetzung „Porno“ kennen, nimmt im Laufe des neuen Romans genau diese Entwicklung.

Ein ordentlicher Ritt von Irvine Welsh

Ein weiteres Mal führt Welsh den Leser auf die Straßen Edinburghs, genauer in die Stadtteile Leith und Gorgie, wo es von Halunken, Säufern, Sozialschmarotzern, Gaunern und Zuhältern nur so wimmelt. Mittendrin fährt der Sexbesessene „Juice“ Terry Taxi, nimmt die männlichen Fahrgäste mit der immer gleichen Methode aus und verführt die weiblichen Gäste nicht selten auf er Rückbank. Hinzu kommen kleine Fahrten als Drogenkurier, einem alten Bekannten muss er einen Gefallen tun und auf dessen Saunaclub aufpassen und dann ist da noch ein cholerischer amerikanischer Fernsehstar, der Terry für eine Woche als Fahrer engagiert. Als wenn das nicht genug Stress für Terry bedeutet, verschwindet Jinty, eins der Mädchen aus dem Saunaclub, während eines Orkans, von den Einwohnern liebevoll „Drecksack“ genannt, über die Stadt hinwegfegt. Was wiederum Jintys fester Freund Jonty, seines Zeichens Terrys vermeintlicher Halbbruder, mit der ganzen Sachen zu tun hat, erfährt der Leser erst im Laufe der Lektüre dieser knapp 450 Seiten.

Welsh große Kunst ist es, Grenzen zu überschreiten und trotzdem eine humorvolle Note beizubehalten. Ein Autor, der praktisch schon über jegliche Stellungen und sexuelle (Ab-)normen geschrieben hat, fällt dies natürlich naturgemäß schwerer etwas Neues zu schaffen. Doch auch in „Ein ordentlicher Ritt“, weiß Welsh Grenzen auszutesten und zu überschreiten. Die Gossen- und Alltagssprache ist in der wörtlichen Rede immer gegenwärtig und selbst in Terrys abstrusesten philosophischen Gedanken, die er gerne mit jedem teilt, der gezwungen ist ihm zuzuhören, muss der Leser stets (mindestens) ein Körnchen Wahrheit erkennen. Aber auch der etwas einfältige Jonty versteht es immer wieder, die richtigen Fragen zu stellen und so den Finger in die Wunde zu legen. Um Terrys Situation noch weiter zu verschlimmern, muss er sich mit gesundheitlichen Problemen rumschlagen, die sein Leben auf den Kopf stellen. Schlagartig verändert sich sein Leben, statt mit „Bräuten“ abzuhängen, fängt der Frauenheld an sich für Literatur und Golf zu interessieren. Sein Dauerkunde, der amerikanische Fernsehstar ist an dem neu gefundenen Hobby nicht unschuldig. Und beim Golf ist es wie beim Sex, es geht ums Einlochen, stellt Terry schnell befriedigt fest. Des Weiteren stellt Terry fest, dass er sich zu wenig um seine Kinder gekümmert hat und dieser Umstand schmerzt. Ein Coming of Age Roman? Nicht wirklich, denn dafür ist Terry, in seinen Endvierzigern, zu alt. Doch Terrys Entwicklung zieht sich, wie ein roter Faden durch den Roman. Schließlich mündet alles in einer spannenden Partie Golf, um eine teure Flasche Whisky und den Folgen einer Kneipenschlägerei.

Aberwitzige Situationen und skurrile Wendungen sind ein weiteres Markenzeichen von Irvine Welshs Geschichten und der Autor macht davon auch in „Ein ordentlicher Ritt“ wieder ordentlich gebrauch.  Es ist vielleicht nicht Welsh bestes Buch, aber am Ende des Romans fühlt sich der Leser, als wenn er ein Wochenende mit einem alten Kumpel verbrachte, den er lange nicht gesehen hat, und nun wieder auf dem neusten Stand ist. „Ein ordentlicher Ritt“ weiß zu unterhalten und lässt Einblicke aus einer Welt zu, die den meisten Welsh Fans fremd sein dürfte. Was wahrscheinlich auch besser so ist.


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